Die Unfähigkeit, Ablenkungen auszublenden, ständige Unruhe, wirre Gedanken, Reizbarkeit, Unkonzentriertheit und Fahrigkeit: Das sind typische Anzeichen einer Störung, von der Mediziner lange glaubten, sie trete nur bei Kindern und Jugendlichen auf. Inzwischen belegen zahlreiche Studien, dass das Syndrom auch im Alter nicht verschwindet. Etwa 30 bis 60 Prozent der Betroffenen leiden auch noch im Erwachsenenalter daran. Das bedeutet, dass zwischen 1 % und 6 % aller Erwachsenen an ADHS leiden. Seit einiger Zeit gibt es daher Methylphenidat für Erwachsene, das ihnen hilft, ein normales Leben zu führen.

ADHS nach der Pubertät

Die Charakterzüge und Eigenschaften eines Menschen sind im Laufe seines Lebens Veränderungen unterworfen. Auch die Ausprägung der ADHS verändert sich. Bis zur Volljährigkeit haben die Betroffenen in den meisten Fällen Strategien entwickelt, um ihre Erkrankung vor der Umwelt zu verbergen. Die Zappeligkeit und der Bewegungsdrang lassen in der Regel gegen Ende der Pubertät nach. An ihre Stelle tritt eine zunehmende innere Unruhe. Im Erwachsenenalter leiden die Betroffenen häufig unter depressiven Störungen, Angst und Unruhe. Der Leidensdruck ist groß und erzeugt das Gefühl, das eigene Leben nicht mehr im Griff zu haben. So äußerten sich viele Teilnehmer einer Studie, in der Wissenschaftler Männer und Frauen, bei denen erst nach dem 20. Lebensjahr ADHS diagnostiziert wurde, zu ihren Erfahrungen befragten.

Viele Betroffene stolpern schon im Kindesalter über die Anforderungen, die die Schule an sie stellt. Damit ist aber noch nicht gewährleistet, dass die Ursache für ihr unangepasstes Verhalten richtig diagnostiziert wird. Oft schließen Lehrer und Erzieher bei unruhigen, aggressiven Kindern auf Probleme im Elternhaus oder im sozialen Umfeld oder stempeln die Schüler als leistungsunwillig und minderbegabt ab. Für die Kinder kann dies der Beginn eines lebenslangen Leidensweges sein. Sie suchen die Schuld bei sich selbst, sehen sich als Nervtöter und Unruhestifter, was zu einer enormen Belastung des Selbstwertgefühls führt. Oft empfinden sie es als Befreiung, wenn sie eines Tages die richtige Diagnose erhalten.

Genaue Diagnose erforderlich

Andererseits leidet nicht jeder, dem es an Motivation oder Konzentration mangelt, an ADHS. Die Abgrenzung zwischen Symptomen ohne Krankheitswert und einer behandelbaren psychischen Störung ist selbst für Fachleute oft schwierig. Nicht umsonst sehen die Leitlinien vor, dass vor einer Therapie mehrere unabhängige Meinungen eingeholt werden sollen. Nach wie vor beklagen viele Experten, dass bei der Verschreibung von Medikamenten oft zu sorglos vorgegangen wird.

Methylphenidat für Erwachsene: ist es sinnvoll?

Studien haben gezeigt, dass ein hoher Anteil der Betroffenen mit zunehmender Lebenserfahrung Strategien und Wege findet, mit ihrem Anderssein umzugehen. Doch nicht allen gelingt dies. 2011 erteilte das BfArM erstmals eine Zulassung für ein Präparat mit Methylphenidat für Erwachsene: Medikinet adult von Medice. Andere Hersteller, darunter Novartis, folgten kurz darauf. Die für die Zulassung eingereichten Studien zeigten, dass sich der ADHS-Score bei mehr als 75 Prozent der Probanden signifikant verbesserte. Die Lebensqualität verbesserte sich in der Verumgruppe um 50 % gegenüber Placebo.