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Kinder mit der Diagnose ADHS sollen künftig noch früher Ritalin oder andere Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat erhalten. Das sieht die neue Behandlungsleitlinie vom Juni 2018 vor. Künftig soll die pharmakologische Behandlung bereits bei mittelschweren Störungen zum Einsatz kommen.

Hintergrund

Der Wirkstoff Methylphenidat (im Folgenden MPH abgekürzt) – hierzulande vor allem unter dem Markennamen Ritalin bekannt – lindert die Symptome von ADHS. Bis vor kurzem war die Verschreibung dieser Substanz nur für Betroffene vorgesehen, bei denen die Störung stark ausgeprägt ist. Bei mittelschwerer ADHS wurde bisher auf Verhaltenstherapie gesetzt. Bei der Auswertung der vorliegenden Daten zeigte sich jedoch, dass die Verhaltenstherapie allein nicht ausreicht, um die Symptome der ADHS ausreichend zu bessern. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJB) hat daher die Entwicklung einer neuen Leitlinie vorangetrieben. Diese sieht die Verordnung von Ritalin bereits bei leichteren Fällen vor.

Für Kinder, die bereits Ritalin erhalten, ändert sich nichts. Kritiker meinen jedoch, dass schon mit den bisherigen Richtlinien viel zu oft auf Medikamente gesetzt wurde. Andere Ursachen für ADHS – zum Beispiel Überforderung, Stress oder organische Erkrankungen – würden zu wenig berücksichtigt.

MPH ist eine amphetaminartige Substanz. Im Gehirn wirkt es stimulierend, indem es die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin hemmt. Bei ADHS-Patienten scheint dies zu einer Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit zu führen. Der genaue Mechanismus ist jedoch noch nicht geklärt. Es gibt auch Kinder, bei denen die Substanz überhaupt keine Wirkung zeigt. Neben MPH gibt es noch eine Reihe anderer Medikamente, die sich zur Behandlung von ADHS eignen. Dazu gehören Dexamfetamin und Lisdexamfetamin, die beide wie MPH als Betäubungsmittel eingestuft sind. Weitere Möglichkeiten sind Atomexetin und Guanfacin. Hinsichtlich der Menge steht jedoch – zumindest in Deutschland – MPH mit Abstand an erster Stelle.

Etwas seltener als bei Kindern kommt ADHS auch bei Erwachsenen vor. Bei ihnen wird bereits in leichten Fällen eine medikamentöse Therapie empfohlen. Eine solche Behandlung sollte immer mit einer Verhaltenstherapie einhergehen, da Medikamente allein nur die Symptome lindern können.

Früher Ritalin verschreiben, aber mit besonderer Sorgfalt

Nicht alle sind damit einverstanden, dass Kinder künftig noch früher als bisher Ritalin erhalten sollen. Die Experten, die an der neuen Leitlinie mitgearbeitet haben, betonen jedoch, dass bei der Diagnose von ADHS sehr sorgfältig vorgegangen werden muss. In der Vergangenheit wurde immer wieder kritisiert, dass Ärzte zu oft zum Rezeptblock greifen, obwohl bei genauerer Betrachtung eine andere Therapie indiziert wäre. Ob die neuen Leitlinien vor diesem Hintergrund zu einer Zu- oder Abnahme der Verordnungen von Ritalin & Co. führen, bleibt abzuwarten. Absehbar ist aber schon jetzt, dass man weiterhin ein ärztliches Rezept braucht, wenn man in der Apotheke Ritalin kaufen will.

Quelle und weitere Informationen

Neue Leitlinie: Ritalin jetzt auch schon bei mittelschwerer ADHS. In: Deutsche Apothekerzeitung online, 22. Juni 2018

6 Kommentar

  1. […] Ärzte müssen gemeinsam mit den Eltern abwägen, ob eine Behandlung mit Medikamenten zweckmäßig ist. Einer Studie zufolge fiel 2011 bei rund 70 Prozent der ADHS-Fälle die Entscheidung für die Verschreibung von Methylphenidat. Wenn ein Kind positiv darauf anspricht und keine größeren Probleme damit hat, spricht die Erfahrung für die Fortsetzung der Behandlung. Kritiker sind jedoch der Meinung, dass zu viel zu Ritalin gegeben wird. Eine Zeit lang schienen sie sich mit ihrer Meinung durchzusetzen. 2014 waren die Verschreibungen nach Angaben des BfArM erstmals rückläufig. Erst mit der Aktualisierung der ADHS-Leitlinie im Jahr 2018 änderte sich das wieder. Dort wird empfohlen, dass Kinder auch in leichteren Fällen von ADHS Ritalin erhalten sollen (siehe dazu: Neue Leitlinie für ADHS: Kinder bekommen in Zukunft noch früher Ritalin). […]

  2. […] Ärzte müssen gemeinsam mit den Eltern abwägen, ob eine Behandlung mit Medikamenten zweckmäßig ist. Einer Studie zufolge fiel 2011 bei rund 70 Prozent der ADHS-Fälle die Entscheidung für die Verschreibung von Methylphenidat. Wenn ein Kind positiv darauf anspricht und keine größeren Probleme damit hat, spricht die Erfahrung für die Fortsetzung der Behandlung. Kritiker sind jedoch der Meinung, dass zu viel zu Ritalin gegeben wird. Eine Zeit lang schienen sie sich mit ihrer Meinung durchzusetzen. 2014 waren die Verschreibungen nach Angaben des BfArM erstmals rückläufig. Erst mit der Aktualisierung der ADHS-Leitlinie im Jahr 2018 änderte sich das wieder. Dort wird empfohlen, dass Kinder auch in leichteren Fällen von ADHS Ritalin erhalten sollen (siehe dazu: Neue Leitlinie für ADHS: Kinder bekommen in Zukunft noch früher Ritalin). […]

  3. […] wird Modafinil mit anderen Neuro-Enhancern verglichen. Ritalin, Adderall und manche Amphetamine weisen sehr ähnliche Effekte auf. All diese Medikamente erfreuen […]

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