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Die „neuronale Selbstoptimierung“, also die Anwendung medizinischer Methoden oder Medikamente bei Gesunden zur Optimierung der kognitiven Leistungsfähigkeit, ist ein Trend, der immer mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt. Anfang der 1990er Jahre stand noch die Stimmungsaufhellung durch Antidepressiva wie Fluoxetin (Prozac) im Vordergrund. Heute steht die Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit im Vordergrund: Konzentration, Kreativität, Gedächtnis und Aufmerksamkeit.

Methoden

Die Methoden zur neuronalen Selbstoptimierung sind vielfältig: Meditation, Gedächtnistraining und Selbstreflexion kommen ohne Medikamente aus. Daneben gibt es Verfahren wie die kraniale Elektrostimulation (CES). Vor allem aber werden Substanzen eingesetzt, die das Gehirn anregen. Die legale Volksdroge Kaffee ist ein in allen Gesellschaftsschichten akzeptiertes Stimulans. Um die Wirkung zu verstärken, gibt es rezeptfreie Koffeintabletten. Wem das immer noch nicht reicht, der hat – neben Kokain oder Speed vom Schwarzmarkt – die Wahl zwischen mehreren Wirkstoffen aus der Apotheke, denen eine stimulierende Wirkung nachgesagt wird. In erster Linie sind dies das ADHS-Medikament Methylphenidat (Ritalin) sowie das Stimulans Modafinil, das normalerweise Narkoleptikern verschrieben wird, um sie wach zu halten. Hinzu kommen Betablocker wie Metoprolol, die gegen Prüfungsangst und Lampenfieber helfen sollen.

Der Grund für die zunehmende Beliebtheit chemischer Neuroenhancer liegt vor allem darin, dass wir in einer Gesellschaft mit hohem Zeit- und Leistungsdruck leben. Wer eine Aufgabe schneller und mit weniger Fehlern erledigen kann als seine Konkurrenten, hat im Beruf einen Vorteil. Ob Ritalin oder Modafinil tatsächlich die erhoffte Verbesserung bringen, ist allerdings nicht eindeutig geklärt. Einige Studien deuten darauf hin, dass die Wirkung kaum über den Placeboeffekt hinausgeht, andere kommen zu gegenteiligen Ergebnissen.

Experten warnen davor, dass der Missbrauch von leistungssteigernden Medikamenten zu Abhängigkeit und Persönlichkeitsveränderungen führen kann. Dies wird durch zahlreiche Erfahrungsberichte bestätigt. Langzeitanwender berichten oft, dass sie mit Ritalin zwar besser lernen oder arbeiten können, dafür aber Probleme haben, soziale Kontakte zu pflegen. Auch die Suchtgefahr ist hoch – zumindest bei Ritalin, das ein ähnliches Abhängigkeitspotenzial wie Kokain hat. Hinzu kommen Nebenwirkungen wie schlechter Schlaf, schlechte Laune und eine erhöhte Belastung des Herzens.

Neuronale Selbstoptimierung in Europa

Obwohl die neuronale Selbstoptimierung durch Medikamente in Europa noch weit weniger verbreitet ist als in den USA, ist auch hier eine deutliche Zunahme zu beobachten. Als Hauptgrund wird der zunehmende Leistungsdruck in allen Bereichen gesehen. Alles wird immer schneller und nicht jeder kann mithalten. Um mit dem Druck umzugehen, gibt es aber auch Strategien, die ohne Medikamente auskommen. Psychologen empfehlen, die zu bewältigenden Aufgaben realistisch zu sehen. Die wenigsten Projekte sind so wichtig, dass Fehler nachhaltige und katastrophale Folgen haben können. Manchmal ist die Belastung aber tatsächlich so groß, dass sie nur mit Medikamenten zu bewältigen scheint. Dann wäre eine berufliche Neuorientierung in vielen Fällen besser als der Griff zur Pillendose.

Buchtipp

Greta Wagner: Selbstoptimierung: Praxis und Kritik von Neuroenhancement. Campus-Verlag, 2017, ISBN 9783593505794



 

1 Kommentar

  1. […] vor diesem Hintergrund vor einer Zunhme des Missbrauchs. Viele Studenten verwenden Ritalin als Smart Drug, um ihre Denkleistung zu erhöhen. Vor einer wichtigen Prüfung kann das hilfreich sein. Das […]

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